Bewährungsprobe: Urlaub mit dem Partner - Interview mit Paarcoach Dominik Borde auf Puls 4: Jede dritte Scheidung wird nach dem gemeinsamen Urlaub eingereicht, so die Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie. Zudem streitet jedes fünfte Paar im Urlaub derart, dass es die ganze Beziehung überdenkt. Beziehungscoach Dominik Borde im Chat bei Café Puls.
Ist der Urlaub ein Liebeskiller - oder liegst es daran, dass in einer Beziehung von vornherein etwas nicht passt?
Nicht jeder Streit im Urlaub heißt, dass etwas in unserer Beziehung nicht stimmt. Aber wenn etwas nicht stimmt, dann kann ein verpatzter Urlaub so das letzte Tröpfchen sein, das das Fass zum Überlaufen bringt und den Entschluss zur Trennung beschleunigt. Schließlich verbringen wir im Urlaub vieeel Zeit miteinander. Wenn ein Paar dann nur schweigend nebeneinander sitzt, weil es sich nichts mehr zu sagen hat, dann fällt das im Urlaub natürlich auf. Besonders, wenn rund um einen geflirtet und gescherzt wird. Andererseits kann ein Urlaub auch eine Chance sein, den Zauber unserer Beziehung wiederzubeleben. Es kommt immer darauf an, was wir daraus machen. Der Urlaub ist nur ein Turbo-Booster – in die eine oder andere Richtung.
Welche Faktoren führen dazu, dass es im Urlaub, wo man eigentlich entspannen sollte, zu Stress kommt?
Job und Kinder lassen im Alltag nicht viel Zeit für die Beziehung. Gerade im Urlaub möchten viele Paare diesen Mangel nachholen und träumen von romantischen Urlaubsabenden. Ein Kardinalfehler. Erstens sind wir es im Alltag gar nicht gewohnt, ständig zusammen zu sein. Und zweitens gehen die meisten ja nicht erholt in den Urlaub, sondern gestresst und urlaubsreif. Irgendwo zwischen „ich muss noch schnell das oder jenes Projekt abschließen, ich darf nicht vergessen und ich muss noch Kofferpacken“ soll dann noch Urlaubslaune aufkommen? Das ist eindeutig zu viel. Besser wäre es, die Erwartungshaltung zurückzuschrauben. Wer Monate auf ein Ereignis hinfiebert, weil man da endlich entspannen, Zeit nachholen, … kann, muss ja an seinen eigenen Ansprüchen scheitern und frustriert sein.
Was sind die größten Streitpunkte? In welchen Situationen verliert man am ehesten die Nerven?
Es beginnt beim Koffer packen, über die Suche nach den Reisepässen, verlegten Unterlagen, vergessenen Lieblings T-Shirts, quengelnden Kindern, verspäteten Flügen oder Irrfahrten, weil das Navi die Hoteladresse nicht findet, Gelsen im Zimmer, dem Essen, verschmutzten Zimmern. Wenn dann der Partner oder die Partnerin ein falsches Wort sagt, sind wir schon auf 180. Denn im Prinzip kann alles und jedes zum Streitpunkt werden. Alles, das nicht in die Vorstellung eines perfekten Urlaubs passt. Und in unserer Vorstellung dauert Packen nur eine Stunde, wir finden alles sofort, vergessen nie etwas und wählen zielsicher immer das richtige Hotel und das perfekte Restaurant aus. Aber hey, wir sind einfach nicht perfekt.
Wie vermeidet man Stress, zB wenn das Hotelzimmer nicht passt oder man sich verfährt? Wie fährt man entspannter in den Urlaub?
Erwartungen runter schrauben. Klar wir wollen einen schönen Urlaub. Aber Pannen passieren eben. Und wir sind auch nicht perfekt. Wer sich diesen Druck nimmt, ist schon mal entspannter. Und auch Humor hilft. Ein Beispiel: Ihr habt euch verfahren. Jetzt könnt ihr euch ewig die Schuld zuweisen und streiten. Oder aber ihr sagt euch, dass ihr so schon mal etwas von der Gegend kennen lernt oder wettet mit einander wer als erster das Ziel findet. Damit seid ihr entspannter und findet voraussichtlich auch eher euer Hotel, weil ihr fokussierter seid. Oder beim Hotelzimmer: Statt über das Zimmer zu jammern, verbündet euch lieber gegen das Hotel und nutzt die Chance für ein Upgrade.
Außerdem: Was sind die Urlaubserlebnisse, die man später Freunden und Familie erzählt? Die perfekten Urlaubsabende sind es nicht. Sondern die lustigen Pannen, die Abenteuer. Die Familie, die das gleiche Zimmer hatte, das Eifersuchtsdrama mit Koch in der schrägen Bar gegenüber oder auch die Übernachtung im Auto, weil der gewünschte Urlaubsort überbucht war, der Bauer, der zwar kein Wasser hergeben wollte aber Wein geschenkt hat. Das sind Erinnerungen, die bleiben. Und an die man sich noch viele Jahre später zurückdenkt.
Sollte man vielleicht eine "Überdosis Zweisamkeit" im Urlaub vermeiden ? Also zB nicht alles gemeinsam unternehmen?
Bloß weil man gemeinsam auf Urlaub ist, heißt es nicht, dass man 24 Stunden am Tag alles gemeinsam machen muss. Aber man kann. Das kommt auf das Paar an und auf die Bedürfnisse. Aber wenn dir danach ist, dass du mal eine Stunde alleine schwimmst, alleine einen Bummel machst oder ein Buch lesen willst, dann tu es. Oder wenn einer von euch das, der andere aber lieber das machen möchte. Bei Paaren mit Kindern ist es sogar wichtig, dass sich jeder mal eine Auszeit für sich nimmt. Und auch als Paar habt ihr ein Recht darauf, Paar-Zeit miteinander zu verbringen. Und das muss nicht nur am Abend sein, wenn die Kinder endlich schlafen.
Was tun, wenn die Erwartungen an den Urlaub unterschiedlich sind – einer will ans Meer, einer Städteurlaub, der nächste Abenteuer….? Welche Lösungsstrategien gäbe es da?
Wir alle haben bestimmte Vorstellungen von Urlaub. Aber nicht immer stimmen diese mit den anderen Familienmitgliedern überein. Der eine ist bekennender Griechenlandfan, der andere sucht kulturelle Angebote. Oder: für einen ist die Wasserrutsche das wichtigste bei der Wahl des Hotels, für den anderen der Strand. Die Konflikte sind vielfältig. Wichtig ist, alle Urlaubswünsche ernst zu nehmen und jedem Familienmitglied ein gewisses Mitspracherecht einzuräumen. Die Eltern geben natürlich den Rahmen vor. Aber es hat keinen Sinn, eine maulende Kinderschar durch eine Stadt zu schleppen oder eine einsame Hütte zu buchen, wenn es Teenager in der Familie gibt, die abends auch weggehen möchten. Besser ist, einen für alle tragbaren Kompromiss schließen und den Urlaub so anlegen, dass auch Zeit für die Paarbeziehung bleibt. Mein Tipp: Selbst kleine Kinder brauchen nicht ständig ihre Eltern als Animateure. Für Eltern ist Urlaub auch die Gelegenheit, sich auch mal ausklinken. Eltern sollten auf ein Minimum an Privatsphäre achten, wie ein eigenes Schlafzimmer, und bewusst Zeit für einander einplanen.