Vielleicht kennst du das: du und dein Partner ihr seid gerade eher mangelnd begeistert von einander, du bist ein wenig unzufrieden in der Beziehung und die Versuchung ist groß, dich durch Dating-Apps und Single-Plattformen ein bisschen abzulenken? Motto: Nur mal schauen „was es da noch so (besseres) gibt“ und vielleicht nur ein bisschen chatten?
Achtung! Auf der anderen Seite sieht das Gras leicht grüner aus. Doch fest steht, Gras wächst dort grüner, wo es bewässert wird
In Zeiten von Tinder & Co. erleben wir einen täuschenden Effekt, der ähnlich einer optischen Illusion wirkt: Wenn Gesichter weiter entfernt sind, erscheinen sie weicher und makelloser und sehen dadurch attraktiver aus. Jeder von uns, auch du wirkst mit Abstand attraktiver. Um Ecken und Kanten, Falten und Poren wahrzunehmen, müssen wir uns näher kommen. Das kann sowohl wortwörtlich als auch metaphorisch verstanden werden.
In einer Studie fanden Dan Ariely und Kollegen heraus, warum mehr Nähe und damit Wissen über die andere Person zu weniger Anziehung führen kann. Die Studie lief mit mehreren hundert Personen in drei Durchgängen ab. Das Resultat der Forschung: Eine Person wird durch das allererste Wissen über sie, attraktiver und eher gemocht. Es wird vermutet, dass dies daran liegt, dass noch Raum für Unsicherheit vorhanden ist, in den viel hinein interpretiert werden kann. Eigene Wünsche und Beweise für Ähnlichkeiten mit dem Gegenüber werden leichter gefunden oder interpretiert. Mit der Zeit, werden die Unterschiedlichkeiten aufgedeckt und das gegenseitige Mögen und die Anziehung kann schwinden. Es ist schwieriger eine uns bekannte Person auf ein überhöhtes Podest zu stellen. Zusammengefasst lässt sich sagen: “je weniger ich den Anderen kenne, desto leichter fällt es mir ihn zu mögen”
Sobald wir ein geliebtes Gegenüber besser kennen lernen, bemerken wir: Der Andere ist in manchen Dingen tatsächlich völlig anders. Solange du jemanden noch nicht kennst, kennst du auch nicht seine unangenehmen Seiten; oder weißt wie es ist mit seinen Macken und Unterschiedlichkeiten zu leben. Im Instagram und Tinder Jargon gesprochen, ist eine intime Beziehung #nofilter. Anders als die perfekt in Szene gesetzten und retuschierten online Avatare die im web inklusive passendem Hashtag geteilt werden, begegnen wir uns im echten Leben erschreckend menschlich und filterlos.
Genau darin besteht die Herausforderung: Deine unretuschierte Beziehung muss konstant mit retuschierten und gefilterten Bildern konkurrieren, sofern wir diesem Muster nicht bewusst entgegenwirken. Unsere echten Partner müssen tagtäglich gegen eine Armee von künstlich geschönten Übermenschen ankämpfen, mit denen wir sie vergleichen.
Stell dir vor du hast eine Wohnung und jeden Tag entscheidest du neu, ob du einen weiteren Tag in dieser Wohnung leben möchtest. Umgekehrt kann sich auch dein Vermieter jeden Tag neu für oder gegen dich entscheiden.
Nun stell dir folgende Fragen:
Sobald wir anfangen in einem solch kurzen Zeithorizont zu denken, sind wir bereit nur einen Bruchteil für unsere Beziehung zu tun.
Im dritten Jahrhundert vor Christus setzte der chinesische General Xiang Yu seine Armee über den Jangtse, um gegen die Truppen der Qin-Dynastie anzutreten. Während seine Mannschaft schlief, verbrannte er alle Boote. Am nächsten Tag erklärte er seiner Truppe: „Jetzt könnt ihr den Fokus nicht mehr auf die Flucht richten, sondern müsst euch vollen Herzens eurem Sieg und der gemeinsamen Mission widmen.“ Indem General Xiang Yu seiner Mannschaft die Möglichkeit zur Flucht nahm, lenkte er ihren Fokus auf das Einzige, was zählte: das gemeinsame Gewinnen.
Studien: Michael Norton, Jeana Frost and Dan Ariely (2007), "Less is More: The Lure of Ambiguity, or Why Familiarity Breeds Contempt". Journal of Personality and Social Psychology. Vol. 92, 97-105.