Leider sehen sich Singlefrauen in unserer Gesellschaft nur allzu oft mit Vorurteilen und negativen Attributen konfrontiert. Dabei haben viele von ihnen diese Lebensform frei gewählt – und fühlen sich wirklich gut damit. Dominik Borde über Happy Singles im neuen Miss Magazin...
Dominik Borde, MSC., Beziehungscoach für Singles und Paare, über starke Singlefrauen.
Warum ziehen viele Frauen ein Singleleben einer Partnerschaft vor?
Es scheint, je selbstbewusster und selbstständiger Frauen werden, desto mehr schwindet das Selbstbewusstsein der Männer. Die meisten Frauen wünschen sich einen starken und selbstbewussten Mann, der weiß, was er will, und mit sich selbst im Reinen ist. Je erfolgreicher und selbstbewusster die Frau ist, desto höhere Erwartungen hat sie tendenziell an den Mann an ihrer Seite. Doch da oben wird die Luft recht dünn – und so ziehen es viele Frauen vor, nach einigen Enttäuschungen lieber alleine zu bleiben als zu zweit unglücklich. Mein Rat an die Frauen dazu: Es ist nicht einsam an der Spitze, aber bei Weiter nicht so überfüllt.
Sind Singles produktiver und erfolgreicher im Job?
Tendenziell neigen Paare dazu, sich weniger nach außen zu orientieren und mehr Zeit zu zweit daheim zu verbringen. Bei Singles ist das anders: Sie müssen auf keinen Partner achtgeben und folgen mehr ihren eigenen Bedürfnissen. Die Freizeit gestaltet sich bei Singles nicht von selbst, weshalb sie ihre Abende und Wochenenden gerne verplanen, mehr Sport machen, öfter Clubs oder Partys aufsuchen und die Gesellschaft, die Paare bereits haben, aktiv suchen. Auch im Job kann es für die Karriere hilfreich sein, wenn man sich nur auf die Arbeit konzentrieren kann und kompromisslos seine Zeit dem Erfolg widmet.
Hat das größere Bedürfnis nach Unabhängigkeit etwas mit Egoismus zu tun?
Der generelle Trend zum Singledasein ist sicher eine Folge der wachsenden Liberalisierung und Individualisierung unserer Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit, in der Frauen einen Mann maximal wollen, aber nicht mehr wirtschaftlich brauchen. Dadurch, dass Frauen vielfach finanziell unabhängig geworden sind, ist ein Mann in ihrem Leben für die Erfüllung von emotionalen Wünschen verantwortlich, nicht aber für den sicheren Unterhalt. Der Partner hat also die Aufgabe, uns glücklich zu machen; kann er das nicht, so wird er ausgetauscht, denn Medien, vor allem sogenannte soziale Medien, suggerieren uns: Es gibt immer einen besseren, attraktiveren und passenderen für jeden von uns. Die Beziehung wird so zu einer Theaterbühne mit ständig wechselnden Akteuren: Ich lade dich in mein Leben ein – und solange du mitspielst, darfst du bleiben. Wenn nicht mehr, finde ich einen neuen Darsteller.
Wer gut allein sein kann, ist auch ein guter Partner. Stimmt das?
Wer „ich liebe dich” sagt, muss zunächst „Ich“ sagen können und wissen, wer genau damit gemeint ist; danach kommt „Liebe“ – und diese ist nach meiner Definition ein Ort, an den Mann oder Frau gehen sollten, um zu geben. Allein sein zu können ist eine Grundvoraussetzung für Beziehungsfähigkeit. Wer allein sein kann, braucht den anderen nicht zur Belustigung, Unterhaltung oder Sicherheit, sondern weil er ihn in seinem Leben möchte und im besten Fall auch von Herzen bereit ist, das zu geben, was den anderen glücklich macht.
Warum haben es Single-Frauen in unserer Gesellschaft so schwer?
Gerade bei Frauen hat dieser Imagewechsel zwar angeblich stattgefunden, aber in Wahrheit ist es für viele Frauen immer noch schwer zu sagen, dass sie keinen Partner haben, vor allem ab einem gewissen Alter. Hier wirken alte Stereotype, die zusammengefasst ausdrücken: Bist du allein, stimmt etwas nicht mit dir! Das wissen Frauen. Und da das noch unangenehmer ist, mimen sie oft die unabhängige Powerfrau, die keinen Mann will oder braucht. Auf meiner Couch präsentieren sich diese Frauen von einer anderen Seite und stehen zu ihrer Verletzlichkeit und ihrem Wunsch nach Nähe und Verbindung, so wie es fast alle Menschen empfinden. Männer haben es in dieser Hinsicht gesellschaftlich gesehen etwas leichter. Das hängt vor allem mit der biologischen Uhr zusammen: Kommt ein Mann mit fünfzig drauf, er will Kinder und Familie, ist es meist noch nicht zu spät. Bei Frauen hingegen wird es ab Mitte dreißig gefühlt enger und ungemütlicher.
Warum ist „Casual Sex” in den Köpfen der Gesellschaft immer noch Männersache?
Gesellschaften verändern sich nicht so schnell, wie wir es gerne hätten. Zwar haben Frauen vor vielen Jahren begonnen, sich zu emanzipieren, doch gesamtgesellschaftlich gesehen steckt diese Emanzipation im Verhältnis zum jahrhundertelangen Patriarchat vorher in den Kinderschuhen. In den Köpfen vieler stellt eine sexuell aufgeschlossene und promiskuitive Frau immer noch eine Gefahr dar, die das Bild der schutzbedürftigen, treuen und liebevollen Partnerin ins Wanken bringt.
Dieser Wandel in der Paarbeziehung, geht der vor allem von den Frauen aus?
Ich denke ja. Einerseits wünschen sich viele Männer eine Frau, die wirtschaftlich sicher ist und zum gemeinsamen Leben finanziell beitragen kann. Andererseits verunsichert es viele, wenn die Frau allzu unabhängig ist. Das, was wir tagsüber politisch korrekt empfinden, ist häufig nicht das, was uns nachts antörnt. So sind es oft gerade jene Frauen, die beruflich erfolgreich sind – sogenannte Powerfrauen – denen in ihren Beziehungen die Schulter zum Anlehnen fehlt, weil sie einem Mann eher das Gefühl geben, er wäre überflüssig und hätte wenig Auftrag bei ihr. Frauen, die nach dem Motto „Wenn ich es nicht mache, dann macht es sowieso keiner“ leben, Frauen, die gelernt haben, sich auf nichts und niemanden und schon gar nicht auf einen Mann zu verlassen, ziehen unbewusst einen Partner an, der anfangs heldenhaft wirkt, aber nach einer Weile eher nach Unterstützung und Mütterlichkeit sucht.
– Miss Magazin