In den Medien | Sozialdynamik in der Presse

Wie lernt man wieder Lust auf den Partner zu bekommen?

Geschrieben von Dominik Borde | Donnerstag, 24. März 2016

IPad, Smartphone die Arbeitswelt kommt ja schon bei vielen mit ins Bett. Wie lernt man in der always on Gesellschaft abzuschalten und wieder Lust auf sich und den Partner zu bekommen? Beziehungsexperte und Paarcoach Dominik Borde MSc. Im Wienerin Inteview zum Trend Sex-Dates.

 

Kalender-Sex

Termin-Liebe. Erst ist alles erotisch und prickelnd. Später wächst der Wunsch nach Familie – und so beginnt das Elend: Sex nach Plan, um Kinder zu kriegen. Und sind die erst da, findet Sex sowieso nur noch am Hochzeitstag statt. Oder zu Weihnachten. Also jetzt bald wieder …

Lilli sieht gut aus, weiß, welche High Heels ihren Po richtig knackig wirken lassen, beherrscht diesen koketten Blick auf Abruf. Und wenn man sie zum Lachen bringt, wirft sie ihre Traumlocken genau so in den Nacken, dass es alle Männer verrückt macht – alle, außer ihren eigenen. Martin, so heißt er, liebt Lilli. Aber die intensivere Beziehung führt er sicher mit seinem Smartphone. Lilli aber stört das nicht, sie hat ja auch eines. Außerdem sind beide richtig gut beschäftigt, arbeiten hart, haben ein Kind, und wenn Arbeit und der Fünfjährige am Abend erledigt sind, sind sie es auch.

Sex? „Ja, wir hatten früher oft Sex, den meisten übrigens, als wir das Kind wollten. Und da fing es an – mit Sex nach Plan“, erinnert sie sich. Die beiden hatten Glück, schon nach ein paar Monaten klappte es mit dem Nachwuchs, doch das „Go“ am Schwangerschaftstest war das endgültige „Stop“ ihrer Leidenschaft im sexuellen Sinn. „Heute haben wir eigentlich nur noch einmal pro Monat Sex, meist an einem Sonntagabend. Fix sind außerdem der Hochzeitstag und Weihnachten“, erzählt die 36-Jährige und fügt lachend hinzu: „Man muss sich doch für die schönen Geschenke irgendwie bedanken.“

Ob sie Sex vermisse? „Sex selbst nicht so, aber ich vermisse die Nähe, ich vermisse das Gefühl von zerwühlter Bettwäsche, ich vermisse Martins Atem in meinem Nacken und seine Küsse ... Aber wir haben eben keine Zeit mehr für diesen spontanen Supersex, und fixe Sex-Dates, das finde ich irgendwie peinlich.

Tja, peinlich ist das Stichwort. Dominik Borde, Beziehungscoach in Wien, kennt den Umgang mit Peinlichkeiten, Beziehungen und Sex nur zu gut. Aber nicht das Sex-Date ist auf Dauer peinlich, sondern der Nicht-Sex. „Das größte Problem bei Sexmangel ist, dass Paare sich entfremden und Schwierigkeiten haben, sich körperlich näherzukommen. Das kann so weit führen, dass es ihnen regelrecht peinlich ist, Sex zu haben. Aus meiner Praxis kenne ich Paare, die teilweise jahrelang keinen Sex hatten, einfach weil sie verlernt haben, sich einander anzunähern.“

 

Kalenderweisheit

Mit dem Essen kommt der Appetit. Das ist nicht nur ein schöner Kalenderspruch, sondern trifft beim Thema „Sex und Partnerschaft“ tatsächlich zu. Wer nie versucht, in Stimmung zu kommen, wird irgendwann auch nicht mehr kommen. Und das durchaus im doppelten Wortsinn. Doch vor allem Paare in längeren Beziehungen (ob mit oder ohne Kinder) leiden an der Routine, die sich im und abseits des Bettes einstellt. Daher hat man eben auch immer weniger Lust, die Lust mal wieder auszuprobieren. Der Psychologe David Schnarch sagte zu diesem Dilemma in der ZEIT etwas herrlich Befreiendes: „Am Anfang einer Beziehung entscheiden im Bett beide Partner für sich, was sie gern machen wollen und was nicht – je nach der jeweiligen sexuellen Entwicklung. Daraus bildet sich über die Jahre ein gemeinsames Repertoire. Eine sexuelle Beziehung besteht aus der Schnittmenge der sexuellen Vorlieben, sie ist gewissermaßen ein Resteessen. Und davon lebt man dann. Da spielt es keine Rolle, dass man sich anfangs nackt vom Kronleuchter geschwungen hat – auch das wird nach fünf Jahren ziemlich langweilig.“ 

Soll heißen: Unser Sexualleben wird zwangsläufig eintönig, das ist kein Grund zur Panik. Aber: Es gibt jeden "Tag die Möglichkeit, sich gemeinsam zu entwickeln, auch sexuell. Und eine Möglichkeit in einer durchgetakteten Welt ist: das Sex-Date. Borde dazu: „Geplanter Sex kann auch positiv behaftet sein, mit Vorfreude und Sehnsucht oder Aufregung. So bleibt auch mehr Zeit, sich stimulierende Gedanken zu machen und der Erotik im Alltag einen Platz zu geben. Es ist also reine Einstellungssache, wie man dem begegnet. Neu ist uns allen dieses Konzept jedenfalls nicht, denn überlegen Sie mal, wie oft Sie Freunde spontan treffen, wie oft Sie spontan ins Theater oder Kino gehen. Und trotzdem macht es Spaß, oder?“

 

Die Kleider vom Leib reißen

Wichtig bei geplanten Sex-Dates ist aber – da sind sich Experte und Betroffene einig – es nicht zwingend mit Sex enden zu lassen. „Ich rate meinen Paaren in der Praxis, sich schrittweise und langsam anzunähern und sich nicht gleich die Kleider vom Leib zu reißen und stundenlang Sex haben zu müssen. Wenn es so passiert, wunderbar, wenn nicht, dann ist es auch kein Problem“, versucht Borde  Druck aus dem heiklen Thema zu nehmen.

Und er hat auch noch einen guten Tipp für alle Eltern parat, die zwar ständig Zuneigung für den Nachwuchs, nicht aber für den Partner übrig haben. „Für Kinder ist es sehr schön zu sehen, dass die Eltern sich gegenseitig wichtig sind und das Kind auch mal für ein paar Stunden an zweiter Stelle kommt. Lassen Sie sich also nicht irritieren, wenn ihr Nachwuchs versucht, sich dazwischen zu drängen, das ist ein normaler Test von Kindern an ihre Eltern, um zu sehen, ob sie es wirklich ernst meinen!“

 

Weihnachts-Sex, wir kommen!

Wenn also mehr Dates zu mehr Sex führen, dann lädt der Terminkalender um die Feiertage geradezu ein, mit dem Partner und ein paar Extraterminen neu durchzustarten. Und jede Wette, dass der Liebste eine Sex-Date-Einladung mit spitzbübischem Grinsen quittiert. Nur Lilli weiß noch nicht genau, wie sie das finden soll. Aber sie probiert es auf ihre Art. „Ich schick ihm mal eine Outlook-Einladung, okay?“

 

– Loretta Lametta, Wienerin Dezember 2015 Seiten 144 – 146