JEIN - kaum ein Wort beschreibt die Lebenssituation von Menschen mit Bindungsängsten besser. JA, denn eigentlich wünschen sie sich Nähe und Zuwendung, NEIN, weil sie sich nicht im Stande sehen, diese auch zu retournieren und dauerhaft erhalten zu können. Ein unglücklicher Zustand ständiger Hin- und Hergerissenheit: JEIN eben. Hier erfährst du, was du tun kannst, wenn du selbst oder dein Partner Bindungsangst hat.
Ein weiser Mann hat einmal gesagt: “Im Meer der Liebe kannst du nur schwimmen, wenn du die Angst vorm Ertrinken ablegst.“. Menschen, deren größte Angst es ist, durch ihre Bindungen eingeengt oder nicht geliebt zu werden, begegnen dieser Angst oft, indem sie sich "unliebbar" machen. Die fatalen Auswirkungen von Bindungsangst bekommt also nicht nur der betroffene Beziehungsphobiker, sondern zwangsläufig auch sein Partner/seine Partnerin zu spüren.
Wenn Nähe mit Schmerz verknüpft ist, leiden darunter sowohl der Verlassende als auch der Verlassene. Nicht selten endet eine ansonsten glückliche Beziehung in einem scheinbar unerklärlichen, plötzlichen Beziehungsaus - mit den Worten: "Es tut mir leid, aber ich kann im Moment keine Beziehung führen."
Was tun also, wenn man selbst von Bindungsangst betroffen ist? Wie zeigt sich eine Beziehungsphobie und was können Partner von Menschen mit Bindungsangst dagegen tun?
Diese Frage hat sich auch Marlene (Name geändert) gestellt, die mir folgenden Brief geschrieben hat:
Lieber Dominik,
Ich bin am Ende meiner Nerven und weiß - an diesem Punkt meines Lebens - einfach nicht mehr weiter. Ich verstehe die Welt nicht mehr und brauche dringend Hilfe… Folgende Situation: Ich bin mit Peter (Name geändert) seit zwei Jahren zusammen, und eigentlich führen wir eine glückliche Beziehung. Zumindest dachte ich das immer. Ein Problem hat unsere Beziehung allerdings immer überschattet: Peter neigt dazu, sich manchmal sehr seltsam und unpassend zu verhalten. Wir kuscheln zum Beispiel auf der Couch und genießen einen gemütlichen Fernsehabend, da rastet er plötzlich aus und beginnt mit mir zu streiten, weil ich nicht die Sendung sehen will, die er bevorzugt hätte. Und anstatt mit mir darüber zu reden, packt er seine Sachen und verschwindet… Einfach so! Irgendwann kommt er dann wieder, sagt, dass er mich vermisst und sich nach mir gesehnt hat, säuselt mir Entschuldigungen und "Ich liebe dich!" ins Ohr und will mit mir schlafen…
Solche und ähnliche Aktionen sind üblich, und fast habe ich mich daran gewöhnt, vor zwei Wochen allerdings hat er den Vogel abgeschossen.
Es war mein 32. Geburtstag, und wir feierten zusammen mit meinen Freunden. Er bat mich nach draußen - an einen hübsch dekorierten Tisch im Gastgarten des Lokals. Im Hintergrund lief Musik und überall standen Blumen. Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will! Weil ich ihn liebe, sagte ich natürlich ja! Zwei Tage schwebten wir im siebten Himmel, alles schien perfekt.
So: DAS WARS! Wieder ist er auf und davon! Eines abends lag ein Brief am Tisch, in dem stand, dass es ihm leid tut, er aber doch noch nicht bereit ist für eine derart feste Beziehung und dass er Zeit für sich braucht. Er wäre bestimmt kein guter Ehemann für mich…
Was bitte schön soll ich davon halten? Geht vor mir auf die Knie, um mich zwei Tage später zu verlassen? Ich kann ihn auch nicht erreichen, er ist tatsächlich wieder auf Tauchstation gegangen. Ich bin echt am Ende, bin innerlich aufgebracht und angespannt. Soll ich mir Sorgen machen oder ihn hassen? Ich weiß echt nicht mehr weiter! Kannst du mir bitte helfen?! Danke vielmals - jetzt schon!
LG
Marlene
Marlenes Geschichte ist keineswegs ein Einzelfall. Sehr viele Menschen, deren Partner von Bindungsangst / Bindungsphobie betroffen sind, berichten mir Ähnliches. An folgenden Verhaltensweisen erkennst du bindungscheue Menschen:
In den seltensten Fällen ist sich ein von Bindungsangst betroffener Mensch selbst darüber im Klaren, was mit ihm los ist. Was er tut oder was ihm widerfährt, erlebt der Bindungsphobiker unbewusst und scheinbar ohne darauf Einfluss nehmen zu können.
Weiters kommt hinzu, dass selbst geschulte Therapeuten sich manchmal schwer tun, eine Bindungsphobie festzustellen. Ein Erkennen setzt nämlich voraus, dass ein bindungsängstlicher Mensch überhaupt mal Hilfe sucht. Dies kommt jedoch selten vor, da sich bindungsscheue Menschen - wie erwähnt - selten als solche einstufen.
Ganz allgemein lässt sich sagen, dass jemandem dem im Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Bindungen aller Art Negatives widerfahren ist, zumeist in der Kindheit, Angst vor Enttäuschungen, eben aufgrund dieser alten Verletzungen, hat. Eine gestörte Beziehung zwischen Mutter und Kind beispielsweise oder ein schwieriges Verhältnis zum Vater kann eine Ursache für Bindungsängste sein. Bindungsphobe Menschen fürchten sich sowohl vor ihren eigenen Handlungen als auch vor den Reaktionen ihrer Partner.
“Nachdem sie sich total zurückzieht und oft tagelang nicht erreichbar ist, geht es schließlich eine Zeit lang besser. Dann tut es ihr leid und sie sagt, dass jetzt alles anders wird. Doch nicht lange, und das Ganze fängt wieder von vorne an, oft reicht eine Kleinigkeit."
Auch Menschen, die Missbrauch erlebt haben, die innerhalb ihrer Herkunftsfamilie stark benachteiligt wurden, oder deren Eltern unter dem Einfluss von Drogen, Alkohol oder psychischen Störungen nicht verfügbar oder unberechenbar in ihren Handlungen waren, entscheiden sich (unbewusst) häufig lieber dafür nicht zu lieben als noch mal zu leiden.
Der erste Schritt in Richtung Besserung ist die Selbstreflexion. Finde heraus, ob eine oder gar mehrere der oben genannten Ängste beziehungsweise Anzeichen auf dich zutreffen. Der zweite Schritt ist die Erkenntnis, dass deine Vergangenheit nichts mit deiner Zukunft zu tun haben muss, und dass es in deiner Hand liegt, eine Änderung deines Verhaltens herbeizuführen. Etwas für dich - und in weiterer Konsequenz für geliebte Menschen in deinem Umfeld - zu tun, setzt zweifelsohne den Willen, sich von alten Mustern lösen zu wollen und den Mut voraus, Neues zu wagen.
Im Fall von Marlene und Peter steckte ein übersteigertes Bedürfnis nach Sicherheit hinter seinem Verhalten. Indem Peter sich niemals wirklich auf Marlene eingelassen hatte, behielt er Sicherheit und Kontrolle über die Situation.
Hinter jedem negativen Verhalten steckt auch eine positive Absicht. Frag dich deshalb, welche positiven Absichten hinter deiner Beziehungsangst wirken (Sicherheit und Schutz vor emotionalen Verletzungen zum Beispiel) und welche alternativen Wege es geben könnte, dich abzugrenzen und sicher zu fühlen.
Peter verschwindet lieber, bevor er sich emotional binden "muss" und es somit vielleicht irgendwann verletzend für ihn werden könnte. Für diese scheinbare “Sicherheit“ bezahlt er allerdings einen enorm hohen Preis, denn letztendlich geht dieses Verhalten mit Einsamkeit einher, tiefe Gefühle einer intimen Bindung werden ihm auf ewig vorenthalten bleiben.
Menschen mit Bindungsangst brauchen einen selbstbewussten Partner, der mit sich im Reinen ist und selbstsicher auftritt.
Sätze wie "Nur keinen Stress, lass es uns langsam angehen, du wirst schon die richtige Entscheidung treffen.", können beim Gegenüber Stress lösen und so für Entspannung sorgen.
Bedenke dabei immer: Du bist der Partner und NICHT der Retter, Seelsorger oder Therapeut deines Gegenübers!!!
Wichtig ist es, die eigenen Grenzen zu kennen und zu wahren! Mit einem solchen Verhalten vermittelt du Sicherheit und nimmst deinem unsicheren Gegenüber die Angst, Verantwortung für deine Gefühle zu tragen. Marlenes Freund Peter hatte große Angst sie zu enttäuschen und ergriff lieber die Flucht, als sich auf das "Abenteuer" Ehe einzulassen. Wurde es ihm zu eng, lief er davon. Stets fühlte er sich im Anschluss einsam und allein und kehrte schließlich verzweifelt zurück. Im Zuge der Zusammenarbeit stellte sich heraus, dass er dieses Verhaltensmuster mit seinem Vater teilte.
Bei Beziehungsphobikern sind angespannte Verhältnisse mit Mitgliedern der Herkunftsfamilie sehr häufig der Fall. In der Regel ist die Mutter die Hauptbezugsperson, weshalb sich manche Kindheitserfahrungen besonders bei Männern negativ auf die Bindungsfähigkeit auswirken. Viele von ihnen haben als Erwachsene Angst davor, abermals von einer Frau eingeengt, enttäuscht oder verlassen zu werden.
Partner eines Beziehungsphobikers sind sich häufig unsicher darüber, ob sie wirklich geliebt werden. Diese Angst mündet in einen Teufelskreis. Wenn sie nämlich ebenfalls eher unsicher auftreten, suchen sie erst mal den Fehler bei sich selbst. Je mehr sich der Partner distanziert, desto mehr wird versucht, den anderen an sich zu binden. Das natürlich verstärkt beim Bindungsängstlichen den Fluchtreflex, weshalb sich dieser immer weiter wegbewegt, um sich am Schluss ganz zu trennen.
Auch Marlene hatte sich häufig die Frage gestellt, ob ihr Peter sie wirklich liebt. Ein Teil von ihr ahnte, dass sein Verhalten nur wenig mit ihr zu tun haben konnte, sondern er vor allem ein Problem mit sich selbst haben musste.
Das effektivste Weg ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um negative Emotionen, Missverständnisse und Verstrickungen aus der Vergangenheit endgültig auflösen zu können!
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