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Typisch Mann, typisch Frau? Wie wir mit gendergerechter Sprache umgehen

Geschrieben von Dominik Borde | 18 Jän

Gendergerechte Sprache wird heutzutage viel diskutiert. Wie wir als Beziehungscoaches zu gendergerechter Sprache stehen und wie wir sie anwenden.

Als Beziehungscoaches begleiten meine Kollegin Masha Hell-Höflinger und ich jeden Tag hunderte Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten bei der Lösung von Konflikten in ihrem Liebesleben, ihrer Familie oder ihrem Berufsleben. Wenn uns eines bei unserer Arbeit immer wieder sehr deutlich bewusst wird, dann ist es das: Menschen sind vielfältig. Wie und wen Menschen lieben, ist vielfältig. Wie Menschen mit Konflikten umgehen, ist vielfältig. Wie Menschen leben wollen, ist vielfältig. Wie Menschen ihr Geschlecht erleben, ist vielfältig. All diese Vielfalt wird durch evolutionäre, biologische, soziale und kulturelle Aspekte beeinflusst und sie ist wichtig für ein interessantes und wertvolles Leben auf unserem Planeten. Es macht also absolut Sinn, all dieser Vielfalt in unserer Sprache gerecht zu werden. 

Seit langer Zeit ist allerdings so, dass in vielen Sprachräumen und auch in der deutschen Sprache meist verallgemeinernd die männliche Form eines Wortes genutzt wird, auch wenn Menschen anderer Geschlechtsidentitäten ebenfalls gemeint sind. 

Die Kritik an dieser Regelung wächst seit vielen Jahren. Selbstverständlich fühlen sich Frauen durch die alleinige Verwendung der männlichen Form diskriminiert, sowie auch viele Menschen, die sich hinsichtlich ihres Geschlechtes anders definieren. Wir denken hier zum Beispiel an trans und inter Menschen, die sich nicht oder nur teilweise mit ihrem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht identifizieren oder deren angeborene körperliche Geschlechtsmerkmale nicht den gängigen gesellschaftlichen und medizinischen Vorstellungen von männlichen und weiblichen Körpern entsprechen. 

Darum achten seit einiger Zeit immer mehr Gesellschaften weltweit darauf, beim Sprechen und Schreiben Formulierungen zu verwenden, die niemanden diskriminieren. Auch wir Coaches der Beziehungs Academy SozialDynamik versuchen in unserer Sprache und in schriftlichen Beiträgen wie Pressetexten und Blogartikeln so zu formulieren, dass sich niemand ausgeschlossen fühlt. In Blogbeiträgen nutzen wir zum Gendern den Doppelpunkt und schreiben beispielsweise von Partner:innen oder nutzen neutrale Umschreibungen, um zu zeigen, dass wir dabei auch an trans und inter Menschen denken. In Pressebeiträgen orientieren wir uns in der Regel an den Gender-Vorgaben des jeweiligen Mediums.

Warum uns das so wichtig ist

Der Konflikt um männliche, weibliche oder neutrale Schrift und Sprache ist nicht allein ein Kampf um Worte. Tatsächlich geht es dabei um viel tiefer liegende Konflikte, die alle Menschen auf diesem Planeten massiv betreffen. 

Unsere Welt basiert auf Gegensätzen. Es gibt gut und böse, es gibt Tag und Nacht, es gibt krank und gesund, es gibt weibliche und männliche Energie. All diese Gegensätze müssen im Einklang sein, damit wir auf dieser Welt in Frieden und Harmonie leben können. Doch derzeit ist das Gegenteil der Fall. Die Welt wird dominiert von der männlichen Energie, der Fokus liegt auf der Wirtschaft, auf Macht und auf Geld. Das Menschliche, das Miteinander und das Emotionale bleiben viel zu oft auf der Strecke.

Dazu ist es wichtig zu wissen, dass bei weiblicher und männlicher Energie nicht die Geschlechter Mann und Frau gemeint sind. Tatsächlich haben alle Menschen sowohl weibliche und männliche Energien und Eigenschaften in sich und es liegt an ihrer persönlichen Geschichte und ihrer Umgebung, wie stark sie welche Energie leben. 

Die weibliche Energie steht grundsätzlich für das Urvertrauen, für Intuition, für Hingabe, für starke Emotionen, für das Erschaffen, für Kreativität, Entspannung, Annehmen, Empfangen, sich hingeben, sich fallen lassen, sich führen lassen, Nähren, Inspirieren und Träumen. 

Die männliche Energie hingegen steht für Kraft, Macht und den Verstand, für Entscheidungen, Kontrolle, Fokus, Struktur, fürs Erzielen, Erreichen, Abschließen, auf den Punkt bringen, Vorwärtsgehen, Kämpfen, Führen, Komplexes einfach machen.

Um in jeglicher Hinsicht unser volles Potenzial und ein Leben voller Liebe, Leichtigkeit, Freude, aber auch Erfolg und Selbstverwirklichung gestalten zu können, müssen wir diese Energien in Einklang bringen.

Doch stattdessen hat sich eine von männlicher Energie geprägte Welt entwickelt, in der Frauen sich Stand heute gezwungen fühlen, in ihre männliche Energie zu gehen und sich vorwiegend dominant, rational und robust zu präsentieren, um gehört zu werden, statt die Stärken ihrer weiblichen Energie auszuleben.

Unsere Welt kann es sich aber nicht länger leisten, in diesem Ungleichgewicht zu verharren. Konflikte, Kriege, Wirtschaftskrisen, Umweltkrisen, die Spaltung der Gesellschaft und viele Konflikte in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen sind der Ausgrenzung und dem mangelnden Ausgleich dieser Energien geschuldet. Es braucht die Harmonisierung und gegenseitige Wertschätzung sowohl für das männliche als auch das weibliche Prinzip, um Krisen zu befrieden und die Zukunft für den Menschen und alle Lebewesen auf diesem Planeten zu sichern. 

Unsere Sprache ist ein ganz wichtiger Bestandteil dieses Ausgleichs, denn durch die Art und Weise, wie wir kommunizieren, schaffen wir Wirklichkeit. 

Dabei möchte ich allerdings auch kritisch anmerken: Ich glaube nicht, dass wir es allein durch die Veränderung unserer Sprache schaffen werden, Probleme wie die nicht ebenbürtige Behandlung von Mann und Frau, den Gender-Pay-Gap und die Unterdrückung von Minderheiten aus der Welt zu schaffen.

Dazu braucht es mehr: Eine grundlegende Veränderung dafür, wie wir Menschen miteinander umgehen, ein tieferes Verständnis dafür, wie unsere Geschichte uns prägt und mehr Wissen dazu, warum wir Menschen uns aus unseren persönlichen Prägungen heraus wie verhalten und was wir tun können, um einander mit mehr Verständnis, Wohlwollen und echter Nähe zu begegnen.

Wann wir doch von typisch Mann und typisch Frau sprechen

Selbstverständlich spielen die männliche und die weibliche Energie auch in unseren Liebesbeziehungen eine immens wichtige Rolle und wenn wir darüber sprechen, wie wir Konflikte in unseren Beziehungen zu anderen Menschen lösen können, ist es unumgänglich, dass wir uns ansehen, welche Energien die Menschen in einer Beziehung gerade besonders stark leben. 

In diesem Zusammenhang ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es, basierend auf unseren jeweiligen Energien, unserer evolutionären Entwicklung und unseren gesellschaftlichen Prägungen ganz klare Unterschiede zwischen Männern und Frauen und somit typisch weiblichen und typisch männlichen Verhaltensformen gibt. Darum kommen wir als Beziehungscoaches auch nicht umhin, diese immer wieder anzusprechen und zu erklären.

Dazu einige Beispiele:

  • Es ist typisch weiblich, ein Problem immer wieder besprechen und von allen möglichen Seiten beleuchten zu wollen. Dabei geht es nicht vorrangig um eine Lösung des Problems, sondern darum, ein Ereignis emotional zu verarbeiten und alles in Verbindung mit allem zu sehen. Typisch männlich ist es hingegen auch im größten Drama einen kühlen Kopf bewahren und möglichst rasch zur Lösung eines Problems kommen zu wollen. Das erklärt, warum Männer oft genervt davon sind, wenn eine Frau immer wieder auf das gleiche Thema zu sprechen kommt, obwohl sie schon mehrfach konkrete Lösungsvorschläge für das Thema gemacht haben.

  • Oft gibt es auch Konflikte um die Aufgabenverteilung in Beziehungen. Während die Männer sich mehr um die organisatorischen Dinge kümmern, sorgen die Frauen oft dafür, dass das soziale Gefüge erhalten bleibt, dass also der Kontakt zu den Mitmenschen gepflegt wird. Doch statt dass dieser Unterschied als nützlicher Ausdruck der unterschiedlichen Energien verstanden wird, sind die Frauen oft genervt davon, dass sie sich allein um alle Verabredungen, Geschenke und Aufmerksamkeiten für Familie und Freunde kümmern müssen, während die Männer davon genervt sind, wenn sie immer wieder dazu gedrängt werden, mehr für die sozialen Verbindungen zu tun, obwohl sie viel lieber für das Wohlergehen der Familie sorgen, indem sie sich um organisatorische Dinge kümmern, wie etwa die Pflege des Hauses, das Verwalten der Finanzen und die Reparaturen für Autos und Fahrräder.

  • Auch die Ursachen für Eifersucht sind bei den Geschlechtern unterschiedlich. Männer reagieren insbesondere dann eifersüchtig, wenn ihre Partnerin leidenschaftlichen Sex außerhalb der Beziehung hat. Für Frauen ist die emotionale Abwendung ihres Partners beim Fremdgehen deutlich schlimmer. Der Grund für diesen Unterschied liegt in den unterschiedlichen Rollen der Geschlechter im Zuge der Fortpflanzung. Bei Männern ist Eifersucht ein evolutionärer Reflex auf die Unsicherheit bei der Vaterschaft möglicher Nachkommen. Bei Frauen ist Eifersucht Ausdruck der Sorge um Unterstützungssicherheit während der Zeit, in der sie viel Aufwand in die Versorgung der Nachkommen investieren müssen.

    Sich dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen und ihrer evolutionsbiologischen Ursprünge bewusst zu sein, ist wichtig, um Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen verstehen und lösen zu können. 

    Bei all dem ist uns aber ganz klar bewusst, dass es auch bei diesen evolutionsbiologischen Prägungen ein großes Spektrum gibt. Es gibt Männer mit weiblichen Verhaltenszügen, es gibt Frauen mit männlichen Verhaltenszügen, es gibt Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau empfinden und infolgedessen auch mit ihren individuellen Verhaltenszügen betrachtet werden müssen. 

    Dementsprechend versuchen wir grundsätzlich in unserer Schrift und Sprache sensibel zu sein, für die Vielfalt der Menschen Raum zu lassen und gleichzeitig das Wissen zu Entwicklung und Prägung menschlicher Verhaltensweisen zu vermitteln, das Menschen brauchen, um bessere Beziehungen miteinander führen zu können. 

Quellen zu diesem Artikel:

Gendern: Pro und Contra - Die Debatte im Überblick (lpb-bw.de)

Geschlechtergerechte Sprache | bpb.de

Begriffserklärungen - Trans*-Inter*-Beratungsstelle (trans-inter-beratungsstelle.de)

Geschlechtsbezeichnungen | bpb.de

LGBTQIA*: Was bedeutet das, und wofür steht das Plus oder Sternchen? (rnd.de)

Intersexualität / intersexuell | Geschlechtliche Vielfalt - trans* | bpb.de

Geschlechtsidentität und geschlechtliche Vielfalt | LIEBESLEBEN

Evolutionsbiologie: Die Liebe kennt ganz verschiedene Formen - Forschung & Lehre (forschung-und-lehre.de)

Evolutionspsychologie - Gefühle aus der Steinzeit (deutschlandfunk.de)

Geschlecht und Geschlechterrolle: Soziobiologische Aspekte | Geschlechtsidentität | bpb.de

Konrad-Adenauer-Stiftung - Das generische Maskulinum: Ein Auslaufmodell? (kas.de)

Yin & Yang: Die Kraft der weiblichen und männlichen Energie (lauraseiler.com)

Begriffserklärungen - Trans*-Inter*-Beratungsstelle (trans-inter-beratungsstelle.de) )

Gendern: Wie machen das andere Sprachen? (gespraechswert.de)