Bis dass der Sport euch scheidet
Paare, die sich gemeinsam bewegen, fühlen sich wie frisch verliebt. Vorausgesetzt, man wählt die richtige Sportart - und der Partner ist kein verbissener Ehrgeizling!
Er und sie stehen einander auf dem Tennisplatz gegenüber. Der Mann jagt die Bälle so scharf über das Netz, dass seine Frau sie kaum annehmen kann, sie wiederum scheucht ihn von einer Ecke in die andere und grinst jedes Mal hämisch, wenn er einen Ball nicht erwischt. Fehler des anderen feiern beide mit Triumphgeheul. Als sie am Ende des Matches den Court verlassen, keppeln
sie einander an. Solche Paare kennt jeder. Genauso wie jene, die glückstrahlend vom miteinander gelaufenen Halbmarathon erzählen oder von den Bergen, die sie zu zweit erklommen haben.
Ist gemeinsamer Sport Gift oder Aphrodisiakum für eine Beziehung? „Wenn wir Sport betreiben, erhöht sich die Herzfrequenz, das Gehirn schüttet Adrenalin und das Glückshormon Dopamin aus“, sagt Dominik Borde, Beziehungscoach für Paare und Singles. „Sport bewirkt also eine ähnliche Reaktion, wie Verliebte sie zeigen. Wir reaktivieren sozusagen die Schmetterlinge im Bauch.“ Zudem hilft Sport beim Stressabbau, danach fühlt man sich körperlich und seelisch entspannt und geht gelassener an Alltagsprobleme heran. Gemeinsame Bewegung stärkt - wie viele Aktivitäten zu zweit – das Wir-Gefühl.
Ob Sport zu Zwist oder Zärtlichkeit führt, liegt an der Persönlichkeit der Partner und ihrem Umgang miteinander, sagt die Sportpsychologin und Paartherapeutin Andrea Engleder. „Wenn es darum geht, miteinander eine schöne Zeit zu verbringen oder ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ist Sport beziehungsfördernd. Wenn aber das Konkurrenzdenken im Vordergrund steht, man unbedingt besser sein will als der andere, kann das zu Konflikten führen.“ Anders gesagt: Wer seinen Partner fertigmachen will, erschlägt die Schmetterlinge mit einem nassen Trainingshandtuch, statt sie zum Flattern zu bringen.
Sport lässt die Strukturen einer Beziehung oft deutlich zutage treten, wirkt wie ein Spiegel. Wer zu seinem Partner sagt: „Jetzt läufst du schon wieder so langsam!“, wird auch sonst wenig respektvoll mit ihm umgehen. Wie in anderen Lebensbereichen ist es wichtig, auch beim Sport aufeinander einzugehen, sagt Therapeutin Engleder: „Wenn jemand sehr fit ist, dann darf er von seinem Partner nicht das gleiche Leistungsniveau erwarten und unwillig werden, wenn der nicht so gut in Form ist wie die Trainingskollegen.“
Was tun, wenn man ohne seine Radtouren nicht leben kann, der Lieblingsmensch aber partout nicht das Sofa verlassen will? Beziehungscoach Borde rät, zu versuchen, den Partner mit der eigenen Sportbegeisterung anzustecken: „Niemand ist als Sportmuffel geboren. Wenn man Kindern zusieht, weiß man: Der Mensch ist nicht zum Stillsitzen geschaffen. Es muss nur die richtige Form der Bewegung gefunden werden.“ Menschen ohne ausgeprägten Bewegungsdrang müssen nicht zu Marathonläufern werden, für eine ausgedehnte Wanderung sind aber auch sie meist gern zu haben.
Ohnehin eignen sich Sportarten wie Wandern, Skifahren oder Klettern gut für Paare, weil man dabei nicht in direktem Konkurrenzkampf zueinander steht. „Es kann auch Spaß machen, gemeinsam eine Sportart zu erlernen, die noch keiner von beiden beherrscht“, sagt Borde.
Wer weiß, dass er Wettkampfdenken auf dem Platz lassen kann und die eigene Gehässigkeit halbwegs im Griff hat, ist auch beim Tennis gut aufgehoben. Nur in Vollkontaktsportarten gegeneinander anzutreten ist wenig ratsam: Dem Partner beim Kickboxen die Nase blutig zu schlagen führt nur selten zu mehr Liebe und Harmonie.
- Luise Walchshofer, News 45/2016, Seite 81
