Wenn die Luft endgültig draußen ist und man spürt, es geht nichts mehr, weil die Liebe kaputtgegangen ist, stehen die Kinder oft als letzte Hürde einer Trennung oder gar Scheidung im Weg. Gedanken wie „Müssen wir es nicht ihnen zuliebe irgendwie schaffen? Ist es die Pflicht guter Eltern, für ein Kind zusammenzubleiben? Bin ich eine schlechte Mutter/ein schlechter Vater, wenn ich gehe?“ machen nahezu allen Paaren mit Kindern die Entscheidung besonders schwer. Hier erfährst du, ob Eltern zum Wohl ihrer Kinder an einer verlorenen Liebe festhalten oder besser einen Schlussstrich ziehen sollten.
Eltern wünschen sich für ihr Kind im Normalfall nur das Beste. Die meisten von uns haben das prägende Bild einer stabilen Familie, innerhalb derer die Kleinen glücklich und unbeschwert aufwachsen können, im Hinterkopf. Doch was, wenn Mama und Papa einander nicht mehr lieben oder im schlimmsten Fall sogar ablehnen und ständig streiten? Sollte man wie ein Märtyrer an der Paarbeziehung festhalten und eine vorgetäuschte Familienidylle leben? Oder ist es für alle Beteiligten – auch für die Kleinsten im System – gesünder, eine Trennung zu vollziehen?
Trennung mit Kindern –8 Punkte zum Wohl der Kinder
Fest steht: Die beste Voraussetzung für eine glückliche Kindheit ist, in einem intakten, gesunden Familienumfeld aufzuwachsen. Damit sind wir aber auch schon am Punkt: Intakt ist eine Familie nur, wenn die Eltern (miteinander) glücklich sind. Neben der „Vater – Mutter – Kind“-Familie im klassischen Sinn können sowohl Patchwork-Familien als auch Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Elternpaare einem Kind die Geborgenheit und den Rückhalt bieten, die es braucht, um ein selbstbewusster und glücklicher Erwachsener zu werden. Was muss also wirklich an Voraussetzungen gegeben sein, damit ein Kind gut aufgehoben ist?
1. Je wohler du dich fühlst, desto besser für deine Kinder
Unglückliche, verzweifelte Mütter und Väter, die ein Leben führen, das sie nicht wollen oder die regelmäßig mit schwerwiegenden Auseinandersetzungen konfrontiert sind, haben es nicht leicht, etwas zu geben. Eltern, die in ihrer Paarbeziehung unglücklich und unzufrieden sind, fühlen sich innerlich leer und erschöpft. Denn Menschen mit mangelnder Lebensfreude fehlt oft die Basis, von der aus sie sich gut um ihre Kinder kümmern könnten.
Fallbeispiel: Renate erzählt im Coaching: „Die Beziehung meiner Eltern war alles andere als einfach. Als ich ungefähr sieben war, meinten sie schon zum ersten Mal, sie würden sich scheiden lassen. Durchgezogen haben sie es dann aber doch nie – und der Grund war ich. Ich habe mir manchmal gewünscht, sie würden sich endlich trennen. Ich habe ja gemerkt, dass sie nicht glücklich sind – und weil die beiden ständig nur mit ihren Problemen und Streitereien beschäftigt waren, ist für mich nicht viel Zeit geblieben. Ich habe wenig gute Erinnerungen an meine Kindheit. Irgendwie kam ich mir schlecht vor, weil sie meinetwegen zusammengeblieben sind. Ich war schuld, dass meine Eltern ihr Glück nicht finden konnten! Dass das so nicht stimmt, weiß ich jetzt, wo ich erwachsen bin – aber das ungute Gefühl, mitverantwortlich zu sein, ist mir irgendwie geblieben.“
2. Weg mit der Last auf zarten Kinderschultern!
Renates Beispiel zeigt es recht anschaulich: Kinder sind weit aufmerksamer und schlauer, als es ihnen die eigenen Eltern oft zutrauen! Selbst die Kleinsten sind sogar besonders feinfühlig und merken, wenn in einer Beziehung der Wurm drinnen ist. Sie spüren jede noch so kleine Verstimmung zwischen ihren Eltern und beziehen vieles davon auf sich.
Wer seinem Kind zuliebe unglücklich mit dem Partner zusammenbleibt, halst seinem Nachwuchs damit eine Riesenverantwortung auf, die lediglich schadet und in keiner Weise hilft. Mit der gefühlten Schuld am Unglück der eigenen Eltern aufwachsen zu müssen, markiert zu früh das Ende der unbeschwerten Kindheit. Das mag „gut gemeint“ sein, ist aber das genaue Gegenteil von „gut“ und sollte zum Wohl der Kinder unbedingt unterlassen werden.
Elternteile, die in Wahrheit Angst davor haben, alleine zu sein, oder aus materiellen oder anderen Gründen zu bequem sind, eine Trennung durchzuziehen, verwenden oft unbewusst ihre gemeinsamen Kinder als Ausrede. Und jene erwachsen gewordenen Kinder, die mit dieser Last nicht zurechtkommen, sitzen dann einige Jahre später mit mangelndem Selbstwert, Schuldthemen und wenig Vertrauen in Paarbeziehungen bei mir auf der Couch.
3. Das Meta Curriculum - Die Vorbildwirkung zählt
Zu einer guten Ehe/Beziehung gehören auch die schwierigen Phasen, und nicht alles in einer Partnerschaft macht Spaß. Dranbleiben, weitermachen und für das kämpfen, was einem am Herzen liegt und wertvoll ist, nicht sofort aufgeben, nur, weil einem etwas am anderen nicht passt, Kaputtes reparieren – all das sind wichtige Werte, die Eltern ihren Kindern vorleben und vermitteln sollten. Doch alles mit Maß und Ziel! Wenn die Kinder schon längst wissen, dass Mama und Papa als Paar gescheitert sind, aber miterleben müssen, wie sie sich sinnlos weiter quälen, um eine Fassade aufrechtzuerhalten, leben Eltern ihrem Nachwuchs vor, dass man unter allen Umständen zusammenbleiben muss – egal, wie schlecht es einem dabei miteinander geht. Solche Vorbilder wirken nachteilig auf Kinder, wenn sie später selbst in Paarbeziehungen leben. Wesentlich wertvoller ist es, ihnen zu zeigen, dass man zu seinen Gefühlen und Wünschen stehen darf und sollte – und auch manchmal die Konsequenzen ziehen muss, selbst dann, wenn es schmerzvoll ist und einen schweren Gang und bedeutet.
4. Besser getrennt glückliche Eltern, als ein ewig streitendes Paar
Vorausgesetzt ein Paar findet einen respektvollen, wertschätzenden und fairen Abschluss, wird es nach der Trennung/Scheidung einfacher sein, einander als Eltern zu begegnen und zusammen für das Wohl der Kinder zu sorgen. Davon profitieren die Kleinsten! Hingegen (mindestens) ein Elternteil leiden zu sehen und/oder ständig über das andere schimpfen zu hören, verunsichert Kinder enorm.
5. Als Eltern klare Regeln und Abmachungen treffen
Damit nach der Trennung eine gemeinsame Ebene als Elternpaar dauerhaft funktioniert und Kinder die Vorteile der neuen Gegebenheiten auch genießen können, sollten sich Eltern unbedingt über ihre wesentlichen Erziehungsziele einigen und sich diesbezüglich absprechen.
Fixe Abmachungen, geregelte Zeiten plus eine Handvoll Dinge, die beiden für das Leben und Überleben der gemeinsamen Kinder besonders wichtig sind, helfen dabei, an einem Strang zu ziehen. Wenn zwischen den Erwachsenen klar abgesprochen wurde, welche Regeln gelten und was besonders wichtig ist, fühlen sich die Kinder geborgen und neigen weniger dazu, ihre Eltern zum eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen.
Fallbeispiel: Andrea denkt zurück: „Ich war neun, als meine Eltern sich getrennt haben. Am Anfang war es schon schlimm, ganz klar. Und eine Riesenumstellung, Papa plötzlich nur mehr fix ein Mal in der Woche zu sehen. Aber irgendwann habe ich mich daran gewöhnt. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater haben wieder neue Partner kennengelernt und sind glücklich geworden. Das war schön zu sehen und hat mich selbst happy gemacht. War jedenfalls wesentlich besser, als jeden Tag die ewigen Kämpfe und Meckereien der beiden miterleben zu müssen.“
6. Kindern ist das Glück der Eltern zumutbar
Fallbeispiel: Thomas schildert: „Wir hatten alles versucht, aber es ging nicht mehr. Bevor wir uns dann scheiden haben lassen, machten wir uns natürlich Gedanken um unsere Kinder. Aber wir waren uns einig, dass man ihnen keinen Gefallen tut, wenn man ihnen eine unglückliche Partnerschaft vorlebt und ihnen dieses Lebensmodell dann als die beste Lösung verkauft. Also haben wir es getan. Und waren überrascht, denn die beiden haben es besser als gedacht aufgenommen. Mein Jüngerer meinte: ‚Papa, bekomme ich dann zum Geburtstag doppelt so viele Geschenke und darf zwei Mal auf Urlaub fahren?‘ Das hat mir gezeigt, dass Kinder oft besser mit Schwierigkeiten umgehen können, als wir Erwachsene es ihnen zutrauen.“
Was Thomas bei seinem Sohn erlebt hat, ist in den meisten Fällen beobachtbar: Solange Kinder sich von beiden Elternteilen geliebt und bei ihnen geborgen fühlen, weder Mutter noch Vater trösten und auch nicht Partei ergreifen müssen, nehmen sie keinen Schaden, wenn die Eltern sich trennen. Nachteilig ist es hingegen, wenn sie zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung erhalten oder in einer lieblosen, von Streit und negativer Energie geprägten Umgebung aufwachsen.
7. Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht
Fallbeispiel: Susanne erzählt: „Die Liebe zu meinem Mann ist längst erloschen. Er möchte aber trotzdem bis an sein Lebensende mit mir zusammenbleiben. Auch meine Schwiegermutter setzt mich unter Druck. Sie meint, ich müsse das wieder hinkriegen – schon alleine wegen unseres Sohnes. Sie sagt, dass ich in etwa zehn Jahren, wenn das Kind aus dem Haus ist, ja immer noch gehen kann, wenn ich das dann noch will. Aber ich kann doch nicht ein Jahrzehnt lang unglücklich bleiben? Und was wäre dann? Dann zieht mein Sohn aus, mein Mann und ich bleiben zurück und ich stehe in der Midlife-Crisis vor den Trümmern meines Lebens? Das kann doch keiner von mir verlangen! Eine Scheidung passt doch eigentlich nie, oder?“
Für eine Trennung/Scheidung gibt es wahrscheinlich nie einen idealen und richtigen Zeitpunkt – ob nun mit Kindern oder ohne sie. Hat man wirklich sein Bestes gegeben und nach reiflicher Überlegung erkannt, dass die Beziehung beendet gehört, muss man es trotz aller Schmerzen und Unannehmlichkeiten „einfach“ tun.
8. Klare Entscheidung - Trennung JA oder NEIN
Variante 1: Da ist noch ausreichend Liebe da – sie war bloß durch Streits, Missverständnisse und mangelndes Vertrauen nicht mehr spürbar. Es gibt abgesehen von einem Kind noch andere gute Gründe, zusammenzubleiben und am Wiederaufbau der Beziehung zu arbeiten. Wunderbar! Damit ihr – und in Folge auch euer Sprössling – wieder eine gute Zeit erleben könnt, hilft euch eine Unterstützung vom Profi, schneller und reibungsloser ans Ziel zu kommen.
Variante 2: Die Liebe zwischen euch ist erloschen, da seid ihr euch sicher, aber ihr wisst noch nicht, wie ihr es eurem Kind (oder euren Kindern) am schonendsten beibringen sollt? Ihr wollt als Eltern das Beste daraus machen und ohne Rosenkrieg, gröbere Kränkungen und Verletzungen eine Trennung durchziehen?
Mein Rat: Eine Trennung ist ohnehin schon alles andere als leicht, daher holt euch dazu am besten in beiden Fällen professionelle Unterstützung. Herauszufinden, ob es wirklich das Ende der Liebe ist oder ob die Beziehung noch gerettet werden kann, ist ein wesentlicher erster Schritt aus der emotionalen Sackgasse, in der sich die meisten Paare kurz vor einer Trennung befinden. Ein geschulter Berater kann euch unterstützen, damit ihr nicht irrtümlich aufgebt, wo noch ausreichend Liebe vorhanden wäre, die nur durch den alltäglichen Druck und die daraus resultierende Überforderung verschüttet ist.
Immerhin habt ihr euch mit hoher Wahrscheinlichkeit mal sehr geliebt. Eines ist sicher: Weiterhin vor sich hinzuleiden und nebeneinander her zu leben macht keinen Sinn – egal, wie es ausgehen soll. Trennung oder Zusammenbleiben – Stillstand ist der Feind jeder Entwicklung! Keine Entwicklung zu machen wäre für alle Beteiligten das größte Scheitern!