Hast du Angst davor, von anderen Menschen abgelehnt und emotional verletzt zu werden? Wie du dich vor Ablehnung und emotionalen Verletzungen schützt.
Wir alle wünschen uns, von anderen Menschen geschätzt und geliebt zu werden. Dieser Wunsch nach Anerkennung ist zutiefst natürlich, denn von anderen Menschen geschätzt zu werden, sichert seit jeher unser Überleben. Doch im alltäglichen Miteinander kann es sehr oft vorkommen, dass wir uns abgelehnt fühlen. Wir bekommen beim Dating eine Abfuhr, werden zu einer Party nicht eingeladen, eine Freundin möchte sich nicht mit uns treffen, die Kollegen oder Kolleginnen gehen ohne uns essen oder unser:e Chef:in lehnt unseren Themenvorschlag ab.
Ganz besonders schmerzhaft ist Ablehnung in unseren engsten Beziehungen in der Familie und in der Liebe. Nirgendwo sonst hoffen wir so sehr auf Wertschätzung und eine Annahme unserer Person mit all unseren Stärken und Schwächen, und nirgendwo sonst leiden wir so sehr darunter, wenn wir uns von einer anderen Person abgelehnt fühlen. Beispielsweise, wenn unsere Eltern kritische Fragen zu unserem Leben stellen oder unser:e Partnerin mit verächtlichen Worten unser Verhalten kritisiert, im Streit hochemotional oder aggressiv reagiert und uns mit verletzenden Worten attackiert oder uns im größten Streit einfach stehen lässt.
Was also kannst du tun, wenn du dich oft von anderen Menschen abgelehnt und emotional verletzt fühlst? Zuerst ist es wichtig, dass du verstehst, dass das Gefühl der Ablehnung in DIR entsteht.
In 95 Prozent der Fälle, die wir als Ablehnung empfinden, ist gar keine Ablehnung da. Es ist unser inneres Kind, das das Verhalten unserer Mitmenschen als Ablehnung interpretiert.
Dieses innere Kind hat aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit das Muster erlernt, dass es oftmals abgelehnt wird und nimmt daher bei Zurückweisung immer wieder an, dass es als Person abgelehnt wird, selbst wenn die Zurückweisung ganz andere Gründe hat. Diesen Filter zu erkennen und zu realisieren, dass das Verhalten anderer Menschen nicht zwingend darauf abzielt, uns abzulehnen, sondern beispielsweise darauf, ihre eigenen Grenzen zu schützen, ist der Schlüssel.
Die Realität als Ablehnung wahrzunehmen ist das Muster, dass es zu durchbrechen gilt.
Dabei können dir folgende Gedanken helfen:
Gerade wenn du ein Mensch mit eher geringem Selbstwertgefühl bist, wird es dir vermutlich schwerfallen, eine Zurückweisung oder Kritik an deiner Person nicht persönlich zu nehmen. Sobald du zurückgewiesen wirst, denkst du „Ich bin nicht gut genug“ und fühlst dich tief getroffen. Doch wenn ein anderer Mensch etwas an dir ablehnt, muss das kein persönlicher Angriff sein. Nicht du als Mensch wirst abgelehnt, sondern stattdessen hat die andere Person schlicht etwas abgelehnt, dass für ihn oder sie in dem Moment nicht passt.
Reagiert ein Mensch im Konflikt mit dir außergewöhnlich emotional, wird er cholerisch, weint, diskutiert, lügt, verschließt sich oder lässt dich sogar mitten in der Auseinandersetzung stehen, dann sei gewiss: Dieser Mensch hat gerade vor allem mit sich selbst zu tun und fühlt sich möglicherweise selbst abgelehnt.
Wir Menschen tragen alle mehr oder weniger innere Wunden mit uns herum, die sich seit unserer Kindheit angesammelt haben. Diese wirken wie Trigger und lassen uns Kritik und Ablehnung ganz besonders hart und persönlich empfinden, selbst wenn eine ablehnende Reaktion eines anderen Menschen überhaupt nicht persönlich gemeint ist.
Das ablehnende und verletzende Verhalten dir gegenüber ist ein Schutzmechanismus, mit dem dieser andere Mensch versucht, sich vor weiteren Verletzungen zu schützen.
Jeder Mensch hat ganz persönliche Grenzen, die er zu schützen versucht. Dabei gibt es fünf Bereiche:
1: emotionale Grenzen
Hier geht es beispielsweise um das Zurückweisen der Emotionen einer anderen Person, insbesondere in Paarbeziehungen. Wir gehen oftmals davon aus, dass unser:e Partnerin in derselben Situation dieselben Gefühle haben müsste wie wir, doch das ist selten der Fall. Dem oder der Partner:in dann seine oder ihre Gefühle abzusprechen, kann sehr verletzend sein. Es geht auch darum, dem:der Partner:in das Gefühl zu geben, er oder sie müsste sich für seine Gefühle rechtfertigen. Die Wahrheit ist: Niemand muss sich in irgendeiner Form dafür rechtfertigen, wie er oder sie sich fühlt. Auch Fragen können emotionale Grenzen verletzen, beispielsweise nach sehr privaten Themen, über die wir nicht spreche möchten, wie etwa unseren Kinderwunsch, die Erziehung unserer Kinder oder unser Liebesleben.
2: materielle Grenzen
Hier geht es darum, ob und wie wir unser Eigentum mit anderen Menschen teilen möchten. Es ist völlig legitim, nicht alles mit jedem teilen zu wollen und für die Dinge, die du teilen möchtest, klare Regeln aufzustellen. Wenn ein:e Freund:in sich gerne Kleider oder Skateboards oder sonst etwas von dir ausleiht, die Sachen aber ständig beschädigt zurückgibt, ist es völlig in Ordnung, hier deine Grenzen aufzuzeigen und zu sagen: „Sorry, aber so funktioniert das für mich nicht“.
3: begrenzte Zeit und Energie
Verletzungen der Grenzen in diesem Bereich können zum Beispiel entstehen, wenn ein:e Freund:in oft zu spät kommt oder geplante Treffen immer wieder kurzfristig absagt und so deine Zeit verschwendet. Der Wunsch nach Schutz kann hier auch entstehen, wenn wir eine Person immer wieder kontaktieren, obwohl die Person den Wunsch nach einer Zeit ohne Kontakt geäußert hat. Auch solche Grenzen gilt es zu respektieren. Verletzungen der Grenzen in diesem Bereich entstehen oftmals auch im beruflichen Kontext, wenn Kollegen oder Kolleginnen, Vorgesetzte oder Kunden nicht akzeptieren wollen, wenn deine Ressourcen ausgelastet sind.
4: mentale Grenzen
Kennst du jemanden, der dir immer seine Meinung aufdrücken möchte und diese für die einzige Wahrheit hält und fühlst du dich davon stark bedrängt? Ein klassischer Fall der Verletzung mentaler Grenzen.
5: körperliche Grenzen
Auch körperliche Grenzen können auf viele Weisen verletzt werden, beispielsweise durch ungewollte Berührungen oder durch ungewollte Nähe, wenn sich etwa jemand auf der Couch oder im Bus viel zu nahe zu dir setzt, aber auch durch sexuelle oder verletzende Kommentare zu körperlichen Aspekten, wie etwa der Figur oder der Kleidung.
Unsere persönlichen Grenzen in all diesen Bereichen zu kennen und zu schützen ist wichtig für ein harmonisches Beziehungsleben, ganz besonders dann, wenn wir schlecht behandelt werden. Dennoch trauen wir uns oft nicht, unsere Grenzen zu kommunizieren, aus Angst, was dann die anderen von uns denken. Denn Grenzen zu setzen bedeutet natürlich auch, einen anderen Menschen ein Stück weit zurückzuweisen.
Doch sich und anderen klar zu machen: Grenzen setzen heißt nicht Ablehnung, sondern nur das Schützen der eigenen Ressourcen, ist der Ausweg aus dem gegenseitigen Teufelskreis der vermeintlichen Ablehnung, in dem jeder nur um sein eigenes Überleben kämpft, statt richtig zuzuhören und den anderen zu verstehen.
Deine Grenzen zu kennen, ist auch der beste Schutz vor dem lähmenden Gedanken: „Ich bin nicht gut genug“. So lange du aus Angst davor, was andere Leute von dir denken könnten, immer mehr gibst, als du eigentlich möchtest und immer weiter deiner Grenzen verletzt, wirst du dieses Gefühl niemals loswerden, denn für die anderen wird es niemals genug sein.
DU musst für dich entscheiden: „Ich bin gut, so wie ich bin, und dies sind meine Grenzen, von denen ich bitte möchte, dass sie respektiert werden“.
Schauen wir als Beispiel einmal auf die Freundin, die sich nicht mit dir treffen wollte. Du hast sie angerufen, als es dir emotional schlecht ging, du wolltest deiner guten Freundin dein Herz ausschütten und ihren Rat hören. Ein verständlicher Wunsch, doch sie hat dich vertröstet und behauptet, sie habe gerade leider keine Zeit. Du bist enttäuscht, fühlst dich abgelehnt und verletzt. Was ist da los? Möglicherweise würde deine Freundin schon gerne für dich da sein, ist aber gerade an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Vielleicht hat sie gerade nicht genug Energie, um dir bei deinen Schwierigkeiten beizustehen, vielleicht hast du sie in letzter Zeit auch etwas zu oft mit deinen Problemen überfallen und sie hat gerade nicht mehr die emotionalen Ressourcen, um dir beizustehen.
Wenn wir verstehen: Der oder die andere lehnt nicht mich als Menschen ab, der andere schützt seine Grenzen, Grenzen sind nicht gegen den anderen, sondern für uns – dann macht uns das frei für echten Kontakt, ein echtes einander sehen für das, was wir sind und das, was wir meinen.
So werden gesunde Beziehungen mit einem wahrhaft empathischen Kontakt möglich, mit weniger Angst und stattdessen viel mehr Liebe, Intimität und gegenseitigem Respekt und Verständnis, in denen du andere Menschen liebevoll mit ihren Grenzen akzeptierst und umgekehrt sie dich mit deinen.
Das Wissen um die eigenen Grenzen und den Mut, diese zu verteidigen, ist übrigens auch etwas ganz Wertvolles, das wir unseren Kindern mit auf ihren Lebensweg geben können. Kaum jemandes Grenzen werden so oft verletzt, wie die von Kindern. Sie müssen ihre Zähne putzen, sie müssen ins Bett gehen, sie müssen Gemüse essen, sie müssen Musikinstrumente lernen, die sie nicht lernen wollen, oder Sportarten ausüben, die sie nicht ausüben wollen. Und wenn sie doch aufbegehren und „Nein“ sagen, begegnen sie oft heftigen Vorwürfen und Widerständen ihrer (möglicherweise narzisstischen) Eltern, die die Grenzen ihrer Kinder nicht akzeptieren wollen. Doch wenn die Kinder so behandelt werden, wie sollen sie dann als Erwachsene im Beruf, in Freundschaften oder in Liebesbeziehungen auf gesunde Weise ihre Grenzen setzen? Geben wir auch unseren Kindern von Anfang das Geschenk des Wissens um die Wichtigkeit und Richtigkeit der persönlichen Grenzen mit – es wird ihr Leben unendlich bereichern.